In dieser auf World of Warplanes basierenden Kurzgeschichte geht es um eine tödliche Schlacht zwischen den Wolken über Frankreich.
Siegesrolle
„Hey Charlie! Ich habe gestern Abend einen neuen von den Briten gehört.“
„Das ist toll, Frank.“ Charlies Stimme spiegelte sein Gefühl nicht wider. Sein Flügelmann plapperte seit dem Abflug pausenlos über Funk.
Frank, der Flügelmann, bemerkte nicht einmal Charlies Apathie. Oder es interessierte ihn schlichtweg nicht. „Ok. Also, da ist dieser Typ. Und er will sich selbst umbringen. Das Leben ist schlecht gelaufen, die Frau hat ihm den Laufpass gegeben. Also diese Art von Geschichte.“
„Aha.“ Charlie hörte müßig zu, während er den Horizont nach dem Feind absuchte. Er flog eine gemächliche Fassrolle und die Landschaft drehte sich sichtlich durch das Cockpit-Fenster.
Frank redete weiter. „Er setzt sich also auf die Schienen, mit einem großen Beutel voller Lebensmittel, und wartet darauf, vom Zug überfahren zu werden.“
„Eine ziemlich bekloppte Art, sich das Leben zu nehmen“, sagte Charlie.
„Dann kommt dieser Polizist vorbei. 'Was tun Sie da?' fragt er ihn. 'Ich warte darauf, dass mich ein Zug überfährt', antwortet der Kerl. 'Und wozu der Beutel Lebensmittel?“ Frank machte seine übliche vorwegnehmende Pause vor der Pointe. „Der Kerl schaut nach oben zum Polizisten. 'Nun, wenn man betrachtet, wie es hier in der Gegend mit Zügen aussieht, wollte ich nicht verhungern, während ich warte!“
Es gab eine weitere Pause, bevor Charlie antwortete. „Haha, Frank!“
Frank bemerkte nicht den Sarkasmus in Charlies Stimme. Er war zu beschäftigt damit, sich vor Lachen zu kringeln. „Ich wollte nicht verhungern! Oh Mann, diese Briten sind so trocken“.
Charlie ignorierte ihn und konzentrierte sich auf das, was er tat - nach feindlichen Jägern Ausschau halten. Nicht, dass er damit rechnete, irgendeinen zu sichten. Die freie Jagd war soweit die sinnloseste und langweiligste Aufgabe, die man überhaupt erwischen konnte. Die Luftwaffe war zu gerissen, um Jäger einfach ziellos über die Felder Frankreichs fliegen zu lassen. Somit war die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich einen Feind zu sichten, zu gering, um von Interesse zu sein. Das ganze Anliegen einer freien Jagd bestand eher darin, als Abschreckung vor feindlicher Aktivität zu dienen, als tatsächlich irgendjemanden zu bekämpfen.
Natürlich sehnten sich einige Piloten nach Missionen, die so sicher waren, wie eine freie Jagd. Junior Lieutenant Charles „Charlie“ F. Haddon hatte die gleiche Einstellung. Doch die große Anzahl „sicherer“ Missionen zeigten auch ihren Nachteil - Charlie hatte niemals einen Feind im Gefecht besiegt. Er hatte niemals die Gelegenheit bekommen, eine Siegesrolle zu fliegen - das siegreiche Kunstflugstück, das ein Pilot flog, wenn er nach einem erfolgreichen Abschuss eines feindlichen Flugzeugs im Kampf zum Stützpunkt zurückkehrte.
„Du bist heute ziemlich aufgedreht“, bemerkte Charlie nach einem Augenblick der Ruhe. Es gab noch immer kein Anzeichen feindlicher Präsenz. Die freie Jagd erwies sich wie üblich als ereignislos. Charlie lehnte sich in seinen Sitz zurück und genoss einfach das Flugerlebnis. Es war ein herrlicher Frühlingstag - der Himmel war klar und blau und eine Vielzahl weißer Kumulus-Wolken warfen ihren Schatten auf die weit unter ihnen liegenden Äcker.
„Ja, nun, du hast doch letzte Woche gesehen, wie ich die Siegesrolle geflogen bin“, antwortete Frank.
Charlie hatte es tatsächlich gesehen. „Und?“
„Damit wären es vier. Ich brauche nur noch einen und ich bin ein Ass.“ Amerikanische Piloten mussten fünf bestätigte Abschüsse vorweisen, um offiziell als „Fliegerass“ eingestuft zu werden.
„Ich bezweifle, dass der dir bei einer freien Jagd gelingt“, sagte Charlie niedergeschlagen. Er wäre beruhigt, wenn ihm ein Abschuss zugeschrieben würde.
„Ja.“ Frank schien das nicht zu interessieren. „Wir kommen immerhin dazu, mit diesen Babys herumzuspielen“.
„Stimmt auch wieder.“ Charlies Laune besserte sich etwas. Beide Piloten flogen in fabrikneuen P-51 Mustangs, die kürzlich für Einsätze über Frankreich ausgeliefert wurden. Die neuen Flugzeuge hatten sich bisher als Freude beim Fliegen erwiesen, da sie dank der Triebwerke der Marke Rolls-Royce Merlin reaktionsfreudig und leistungsstark waren. Charlie konnte Franks Plappern über Funk kaum hören - das ganze Flugzeug bebte unter dem Geräusch der zwölf Auspuffe, die kaum von seinem Kopf im Cockpit entfernt waren. Ihm entglitt ein leises Lächeln. Dies war eine unbändige Kraft - das Gefühl des Gottseins. Abschüsse oder nicht, er liebte jeden einzelnen Moment.
Charlie nannte seine Mustang Lady Liberty. Das Nasenbild zeigte eine Karikatur der Freiheitsstatue mit einem Schwert und einem Maschinengewehr, statt des Buchs und der Fackel, die sie eigentlich trug. Franks Mustang trug den Namen Easy Times und sein Nasenbild zeigte Spielkarten, Würfel und Weingläser. Easy Times war auch mit vier Zählstrichen verziert, während Lady Liberty ungeschmückt blieb.
Die beiden Mustangs brausten über ein französisches Dorf hinweg, tief genug, um zu sehen, wie die Bevölkerung in den Himmel zeigte. „Hey, hey!“, sagte Frank auf seine in diesen Momenten übliche alberne Art. Charlie war sich sicher, dass er winkte, obwohl die Zivilisten am Boden den Piloten auf keinen Fall sehen konnten.
Sie ließen die Ortschaft hinter sich und flogen über weite Felder und Wälder. Alles sah äußerst friedlich aus. Es war schwer zu glauben, dass Krieg herrschte und dass die sich unter ihnen erstreckende Landschaft vollständig von den Deutschen Streitkräften besetzt war. Charlie lehnte sich einfach zurück und genoss weiterhin den Flug.
Wie immer war es Frank, der die angenehme Ruhe unterbrach. „Hey Charlie, hast du gestern Abend die Dame an der Seite von Colonel Armstrong gesehen? Die war vielleicht 'ne heiße Schnitte, oder?“
Charlie starrte auf einen Bewegungspunkt am Horizont. „Das war seine Frau, Frank.“
„Frau? Das gibt's nicht! Was will denn bitte eine Schönheit wie die mit einem Typen wie Armstrong?“
„Nun, vielleicht sah er - warte, hast du das gesehen?“ Charlie lehnte sich nach vorne in sein Geschirr und starrte durch das Cockpit-Glas.
„Hä?“
Charlie suchte den Himmel ab und starrte genau auf die Kumulus-Wolken, die am Himmel verteilt waren. „Haben wir in diesem Gebiet eine weitere Patrouille?“
„Nein? Hast du etwas gesehen?“
„Ja. Gib Acht!“
Er neigte Lady Liberty nach Nordosten und flog in Richtung der Sichtung - ein schwarzer Punkt, der in einer der Wolken verschwand. Es war viel zu groß für ein Vogel. Und wenn es kein verbündeter Jäger war ...
Frank folgte seiner Bewegung, hielt seinen Flieger leicht hinter ihm an seiner Seite - die perfekte Position für einen Flügelmann. Die beiden Mustangs bewegten sich wie ein einziges Flugzeug, mit Präzision und Anmut, und flogen geradewegs über die Landschaft in Richtung der angepeilten Wolke. Ihre Hartnäckigkeit wurde belohnt, als etwas aus den Wolken und in ihre Richtung schoss.
„Feind gesichtet!“, schrie Frank.
„Deutsche. Messerschmitt. 109.“ Charlie zog den Schub zurück und beruhigte sich, um einen besseren Überblick zu erhalten. „Wir werden beschossen! Verteilen, verteilen!“
Charlie und Franks Flugzeuge trennten sich, während eine feindliche Feuersalve durch die Luft fegte, wo sie sich gerade noch befanden.
„Ist er alleine?“ fragte Frank.
„Unwahrscheinlich“, antwortete Charlie. „Das ist die Luftwaffe. Die sind nicht blöd. Halte nach weiteren Flugzeugen Ausschau.“
„Stimmt.“ Frank begann, sich zu entfernen. Doch bevor er wenden konnte, flog eine zweite Salve aus einer anderen Wolke im Osten. Frank schreite kurz auf, während er abtauchte, um dem Kugelhagel zu entkommen. „So viel zu diesem Thema!“
Charlie antwortete nicht. Aus Norden, Nordosten und Nordwesten schossen feindliche Jäger aus den Wolken und kamen geradewegs auf ihn zu. „Heilige Sch...! Dreierverband, alles 109er. Verteilen und decken!“
„Schon dabei.“ Franks Flugzeug flog eine Rolle, während er seinen Sturzflug in einen kontrollierten Ausbruch drehte, um einigen Abstand zu Charlie zu gewinnen.
Charlie flog in Schräglage und rollte sich in die andere Richtung ab, wodurch er schnell aus der Schusslinie gelang. Während ihn die Fliehkräfte in seinen Sitz drückten, konnte er beobachten, wie zwei der drei feindlichen Flugzeuge es ihm gleichtaten. Der Tanz um die Positionen war in vollem Gange und bald würde die Schlacht beginnen. So viel zum Thema „ruhige und sichere“ Jagd. Es schien wahrscheinlich, dass der feindliche Flugverband genau die gleiche Aufgabe hatte, wie die der beiden Amerikaner.
Charlie drückte den Wahlschalter für seine Kanonen und feuerte auf den nächsten feindlichen Flieger. Er hatte nicht erwartet, irgendeinen Treffer zu landen. Es bedeutete jedoch, dass der deutsche Pilot schließlich vorsichtig sein und Frank einen weiteren Moment gewähren musste, um sich zu positionieren. Wie erwartet neigte sich die Bf. 109 weg. Nun konnte der Tanz ernsthaft beginnen.
Charlie, der weiterhin mit Frank kommunizierte, beschloss, von Beginn an in die Offensive zu gehen. Obwohl sie zwei zu drei in Unterzahl waren, waren die Mustangs neuer, robuster und leistungsfähiger. Charlie erkannte, dass die feindliche Überzahl somit in gewisser Weise ausgeglichen wurde.
Ihnen wurde in der Flugschule eingetrichtert, dass es bei einem Luftkampf nur um Positionierung und Energiemanagement, um das Gleichgewicht zwischen Geschwindigkeit und Flughöhe, und immer, immer darum ging, wo sich der Feind befindet. Charlie konnte noch immer zwei von ihnen sehen, während Frank die Position des dritten Gegners meldete. Somit waren alle erfasst.
„Übernehmen wir die Offensive?“ fragte Frank über Funk. Obwohl er der erfahrenere der beiden Piloten war, war er bei der heutigen Mission dennoch als Flügelmann eingeteilt, wodurch Charlie das Kommando hatte.
„Darauf kannst du wetten!“, sagte Charlie, der die Gelegenheit eines Gefechts genoss. Vielleicht würde er heute endlich diese Siegesrolle fliegen dürfen. Oder vielleicht würde er am Ende fallen - ein in gewisser Hinsicht ernüchternder Gedanke.
Er zog den Steuerknüppel leicht zurück und öffnete die Drossel, um seine P-51 in einen senkrechten Steigflug zu bringen. Er lächelte grimmig, als das Merlin-Triebwerk perfekt und ohne Aussetzer reagierte. Was für aufregende Maschinen diese neuen Flugzeuge doch waren! Mit einem Brüllen zog das Flugzeug nach oben und weg von den feindlichen Fliegern und leitete ein Manöver ein, das als Immelmann bekannt ist. Er blickte nach hinten und sah, wie einer der Gegner aus der Formation ausscherte, um ihn zu jagen. Perfekt.
Er stieg immer höher und erreichte mit Leichtigkeit die erforderliche Flughöhe. Gerade, als er merkte, wie das Triebwerk anfing, zu stottern, drehte er sein Flugzeug in eine Rolle, drehte sich um 90 Grad und positionierte sich so, dass er nun auf den Gegner zusteuerte, jedoch in einer viel höheren Flughöhe.
„Ah, genau so!“ schrie Charlie aufgeregt über Funk und klang einen Augenblick fast genauso wie Frank. „Na also!“
Charlie beschleunigte sein Flugzeug sofort in einen Überkopfangriff, wobei er den Vorteil der Flughöhe, die er erlangt hatte, nicht vergeudete. Er drehte Lady Liberty auf den Rücken und anschließend nach unten in einen senkrechten Sturzflug, wobei er geradewegs auf das unter ihm fliegende feindliche Flugzeug hielt. Sollte Charlie die Hoffnung gehabt haben, der deutsche Pilot würde einfach nur dort warten und es hinnehmen, so sollte er enttäuscht werden. Die Bf. 109 neigte sich zur Seite und in eine Rolle und versuchte, Charlies Feuerbogen zu entkommen. Als er circa 200 Meter entfernt war, eröffnete Charlie das Feuer. Er war jedoch zu langsam und der Gegner außer Reichweite. Charlie erwischte nichts als Luft.
„Hey, netter Versuch“, sagte Frank aufmunternd, als er Charlies Flüche hörte.
Charlie hatte keine Möglichkeit, zu antworten. Der deutsche Flieger hatte bereits gewendet und die Situation zu seinen Gunsten gedreht. Eine Maschinenkanonensalve prasselte an sein Cockpit vorbei, wobei mehrere Kugeln von dem gewölbten Profil abprallten.
„Verdammte Sch ...!“ schrie er. Mit einer halben Rolle drehte er sein Flugzeug über und drückte den Steuerknüppel anschließend nach vorne, um in einen umgekehrten Looping überzugehen. Er war sich bewusst, dass das feindliche Flugzeug wie beabsichtigt genau über ihn hinwegschoss. Doch während sein Flieger abwärts trudelte, konnte er spüren, wie sich die negativen Fliehkräfte aufbauten und ihn eng nach hinten drückten, wodurch er selbst durch seine Maske nur schwer atmen konnte. Er fühlte, wie sein Kopf immer schwerer und dicker wurde, wie der Druck in seinem Magen die kleine Menge an Nahrung aufwühlte, die er zu sich genommen hatte, und wie weiße Flecken vor seinen Augen flimmerten.
Er biss die Zähne zusammen und versuchte, das Bewusstsein nicht vollständig zu verlieren. Durch das Cockpit-Fenster konnte er sehen, wie der Boden auf ihn zuraste. Es erforderte all seine Stärke, um den Knüppel nach vorne zu drücken. Das Flugzeug begann, sich einzupendeln, als es das Ende des Schleife erreichte und drehte sich wieder in den Steigflug. Die Fliehkräfte kehrten sich plötzlich um, wodurch Charlie der Kopf drehte. Er war jedoch sicher. Als er seine ursprüngliche Höhe erreichte, führte er eine weitere halbe Rolle durch, um sich auszurichten.
„Lebst du noch?“ fragte Frank über Funk. „Du hast irgendein Grunzen von dir gegeben.“
„Bin grad dabei“, antwortete Charlie in der Hoffnung, die Flecken in seinen Augen würden bald verschwinden. Er durchsuchte den Himmel und erblickte den deutschen Jäger in einiger Entfernung vor ihm. Er hatte sich in eine Rolle gedreht, um erneut hinter Charlie zu gelangen. Es gab jedoch ein Problem - wo war der andere?
„Frank? Wie viele hast du bei dir?“ fragte er, zögernd zuzugeben, dass er einen Feind aus den Augen verloren hatte. Er hatte jedoch keine andere Wahl.
„Zwei“, antwortete Frank. Das Rattern von Maschinenkanonenfeuer vermischte sich mit dem Brüllen seines Triebwerks und unterbrach seine Stimme. „Danke, Bro. Ich liebe dich auch.“
„Sprichst du mit mir?“ fragte Charlie, der seinen eigenen Gegner wachsam im Auge behielt.
„Natürlich, ich-“ Der Funk brach ab. Er hörte nur noch Rauschen.
„Frank? Frank!“
Die einzige Antwort war Stille. War Frank abgeschossen worden? Charlie blickte verzweifelt an den Horizont, konnte jedoch kein Anzeichen seines Flügelmanns sehen. Er sah jedoch, wie der deutsche Jäger in einem Angriff geradewegs auf ihn zuraste.
„Verdammt!“
Charlie rollte sein Flugzeug aus dem Visier des Gegners, wodurch der Feuerstoß harmlos an ihm vorbeiflog. Er kniff die Augen zusammen. „Oh, jetzt wirst du sterben.“
Er leitete erneut einen Steigflug ein. Dies war ein Manöver, das nichts für seinen lädierten Kopf war. Es half ihm jedoch erneut, eine gute Position zu erlangen. Er konnte den Deutschen an seinem Heck sehen, der versuchte, sich seinem Steigflug anzupassen. Die Leistung der Mustang war jedoch höher als die der Bf. 109, wodurch er den Abstand einfach vergrößern konnte. Auf einer passenden Flughöhe drehte er in eine Schleife. Der gegnerische Jäger schoss unter ihm durch, während Charlie sich einpegelte. Er befand sich nun hinter dem Gegner, der schnell versuchte, zu wenden und zu entkommen. Charlie eröffnete das Feuer, wobei es ihm dieses Mal gelang, einige Treffer am Cockpit und an der Tragfläche zu landen. Dabei flogen Fragmente der Panzerung weg, die sich im Nachstrom in Luft auflösten.
„Ja!“ jubelte Charlie, obwohl er über Funk noch immer nur Stille vernehmen konnte.
Der Deutsche schien sich von nichts abschrecken zu lassen und schoss zurück. Charlie machte sich mit einer Fassrolle aus dem Weg und stürzte erneut in Richtung Boden, wobei er Flughöhe gegen Geschwindigkeit opfert. Er rauschte tief über einige Nebengebäude eines Bauernhofs, wobei der erzeugte Luftzug einen Hühnerhaufen weckte, der in einem wütenden Federsturm aus seinem Stall eilte. Ziegel flogen vom Dach der Scheune und ein Heuballen explodierte in einem Nebel aus gelben Stroh.
In diesem Augenblick, in dem alles vergessen war - selbst Franks Notlage - lachte Charlie wie wahnsinnig, während er den Flieger erneut nach oben zog. Dies war pure Kraft. So fühlte es sich an, die Kontrolle über die Welt zu haben!
Eine Bewegung an seiner Seite weckte seine Aufmerksamkeit, als der deutsche Jäger aus einer Wolke heraus auf ihn schoss. Die Kanonen leuchteten auf. Charlie drehte sich in eine Rolle, um sich dem Gegner zuzuwenden, und leitete gleichzeitig den Gegenangriff ein. Während des Wechsels schossen Kugeln durch seine Flügel und in das Cockpit. Keine davon schlug jedoch durch - die Mustang war sehr robust gebaut. Ein Riss erstreckte sich jedoch über eine der dicken Glasfenster.
Dem deutschen Jäger war es so ziemlich genauso ergangen. Angesichts der Spur schwarzen Rauchs, das aus der Nähe des Triebwerks entwich, erkannte Charlie, dass er einen der Kraftstofftanks getroffen hatte. Die beiden Flugzeuge näherten sich so nah einander, dass Charlie sehen konnte, wie der deutsche Pilot ihn aus seinem Cockpit heraus anstarrte. Der Mann sah fast genauso aus wie Charlie - jung, wagemutig, gutaussehend und engagiert, lediglich in grauer Fliegerjacke, Maske und Helm statt in Braun gekleidet. Zweifellos hatte er, genauso wie Charlie, eine Liebste, die Zuhause auf ihn wartete. Zweifellos hatte er Freunde, die schlechte Witze erzählten und sich an die Frau des Kommandanten heranmachten, genauso wie Frank.
Aus dieser kurzen Entfernung würde es keiner der Piloten riskieren, das Feuer zu eröffnen - dies würde sofortiges Gegenfeuer mit sich führen und den sicheren Tod für beide Piloten bedeuten. Als die gegnerischen Flugzeuge aneinander vorbeiflogen, wobei die Entfernung so gering war, dass sich ihre Flügelspitzen beinahe berührten, starrten sich die beiden Piloten gegenseitig an und teilten einen Blick des Verständnisses und des Respekts. Und nach diesem Augenblick wurde das Gefecht fortgesetzt.
Dieses Mal war es das deutsche Flugzeug, das versuchte, die Offensive zu übernehmen. Der Pilot führte nun selbst einen Immelmann durch, stieg hoch in den Himmel, um an Flughöhe zu gewinnen und sich in die bessere Position zu bringen. Charlie konnte seine Bewegungen verfolgen, indem er dem schwarzen Rauch folgte, der noch immer aus dem Heck des gegnerischen Flugzeugs quoll.
Als der Deutsche den Sturzflug einleitete, neigte Charlie seinen Flieger und rollte sich weg. Es war Zeit für ein ernstes Katz-und-Maus-Spiel, obwohl man darüber streiten konnte, welches Flugzeug dabei die Rolle der Katze und welches die der Maus einnehmen sollte, da sich dies stetig änderte. Die beiden Flugzeuge flogen hin und her und versuchten jeweils, den anderen auszumanövrieren. Charlie hatte das bessere Flugzeug. Es war jedoch selbstverständlich, dass der deutsche Pilot die weitaus größere Erfahrung hatte. Es war weit bekannt, dass die Luftwaffe über eine Vielzahl von Fliegerassen verfügte, die allesamt über Einhundert Abschüsse zählten, was Franks Wunsch, ein Ass mit gerade einmal fünf Abschüssen im Vergleich ziemlich erbärmlich scheinen ließ. Was Charlie betraf - so er hat noch keinen einzigen Abschuss.
Es wurde weiterhin gefeuert, doch keiner der Piloten traf. Das deutsche Flugzeug spukte noch immer schwarzen Rauch aus - wenn es Kraftstoff verlor, dann könnte es bald nach Hause hinken, womit Charlie erneut ein Sieg verwehrt bliebe. Er biss die Zähne zusammen und beschloss, sich nicht auf diese Weise betrügen zu lassen. Was Frank und die anderen beiden Jäger betraf, so gab es kein Zeichen.
Charlie flog über eine weitere Ortschaft hinweg. Der menschenleere Marktplatz ließ zweifellos darauf schließen, dass sich die Zivilisten in ihren Häusern und Bunkern verschanzten, um dem Krieg zu entkommen, der über ihren Köpfen stattfand. Das deutsche Flugzeug heizte ihm am Heck ein, als ein weiterer Feuerstoß aus der Maschinenkanone ihn beinahe zu Staub verwandelte. Charlie rollte sich auf eine Seite und anschließend auf die andere, wobei er jedoch vergeblich versuchte, den Verfolger abzuschütteln. Der Deutsche blieb eng an ihm kleben, als ob er mit einem Gummiband an Charlies Flugzeug befestigt sei. Erneut versuchte ein Kugelhagel, sein Flugzeug mit Löchern zu durchsieben.
Verzweifelt versuchte Charlie, in einen Steigflug zu gehen. Doch seine Hände zitterten, er hatte seine Grenzen erreicht. Er zog den Knüppel zu hart und Lady Liberty schoss rasch in die Luft, ohne Kontrolle und Feingefühl. Nachdem es einige Hundert Meter aufwärts geflogen war, keuchte und stotterte das Triebwerk. Unzählige rote Warnleuchten begannen im Inneren des Cockpits aufzuleuchten. Charlie versuchte wie wahnsinnig, die Leistung zu drosseln. Doch es war zu spät. Das Triebwerk setzte aus.
Als die zwölf Auspuffe verstummten, schien es Charlie, als ob die ganze Welt stillstehen würde. Der plötzlich ausgefallene Lärm war möglicherweise verdächtiger, als es das Geräusch des Triebwerks war. Es fühlte sich an, als wenn etwas verstorben sei, ein vergangener Moment, der nun nur noch diese tödliche Stille hinterließ. Lange Zeit saß Charlie ganz still da, um die Ruhe dieses Augenblicks nicht zu zerstören.
Seiner Kraft beraubt richtete sich das Flugzeug auf natürliche Weise aus, indem es sich sanft und für einen kurzen Augenblick in die Brise rollte, bevor die rechte Tragfläche abfiel und das Flugzeug somit in die rechte Neigung zwang. Charlie erwachte aus seiner Träumerei und realisierte, dass - so friedvoll dieser Moment auch war - noch immer ein feindlicher Jäger dort draußen war. Und Charlie war wie eine erstarrte Ente. Er schaute sich eilig nach dem deutschen Flugzeug um, konnte es jedoch nicht sehen. Warum hatte der Feind nicht von seiner Hilflosigkeit profitiert? Irgendwie hatte Charlie Glück gehabt - doch wenn der Deutsche jetzt nicht auf ihn schoss, dann musste er sicherlich etwas noch schlimmeres planen.
Der Flügelsturz war normal und wurde in Lehrfilmen hervorgehoben, die zum Glück auch erklärten, wie man dieses Problem in den Griff bekam - nämlich indem man den Druck auf den Steuerknüppel löste und das rechte Ruder anpasste, um das Flugzeug wieder auszurichten. Danach musste einfach nur die Triebwerksleistung wiederhergestellt werden.
Die Mustang war bekannt dafür, ein Langsamstarter zu sein, da das Öl erst warm werden musste. Nach einem Abriss war das Öl jedoch noch immer heiß, wodurch das Flugzeug umgehend mit einem Ruckeln und Brüllen ansprang. Die sich wie ein halbwildes Pferd schüttelnde und bockende Mustang bäumte sich auf, um sich wieder geradewegs in den Kampf zu stürzen.
Charlie öffnete umgehend die Drossel und zog das Flugzeug in eine Reihe von Rollen, um sowohl feindlichem Feuer auszuweichen, als auch zu versuchen, einen Blick auf den deutschen Jäger zu erhaschen, der den Vorteil dieser Ablenkung genutzt hatte, um sich zu verstecken - zweifellos in der Vorbereitung eines Hinterhalts. Das war es also, was er unternommen hatte, als Charlies Flugzeug abgerissen war. Charlie durchstreifte den Himmel und untersuchte die Wolken nach einer Bewegung. „Ich weiß, dass du da bist ...“ sagte er, obwohl über Funk noch immer nichts weiter als Stille zu hören war. „Du kannst dich verstecken ...“
Charlies Mustang brüllte in eine Wolke nach der anderen auf der Jagd nach seinem Gegner. Ein schwarzer Blitz und eine Bewegung zu seiner Rechten lösten seine Reflexe aus und er neigte sich in eine Rolle, wobei er einen Feuerstoß seiner Maschinenkanone abgab, bevor er erkannte, dass es sich lediglich um einen Vogel gehandelt hatte.
„Verdammt, Charlie. Reiß dich zusammen!“
Seine Hände waren nass in seinen Handschuhen und Schweißperlen tropften unter seinem Helm von seinem Gesicht. Das war wie Räuber und Gendarm, jedoch mit tödlichem Ausgang. Er war versucht, einfach durch die Wolken zu stürzen, um das gegnerische Flugzeug zu jagen. Doch Charlie war sich bewusst, dass die Bf. 109 ihn genauso jagte, wie er sie. In dieser Phase des Kampfes war demjenigen, der den anderen zuerst sah, der Todesschuss sicher.
Es gab kein Zeichen der anderen beiden Flugzeuge des Fliegerverbunds. Vielleicht hatte Frank sie beide abgeschossen und war zurückgeflogen. Dies war ein schönerer Gedanke, als sich das Schlimmste vorzustellen.
Das Triebwerk grölte laut in seinen Ohren, als er auf der Suche nach seinem Gegner durch den blassen Dunst der Wolken tauchte. Durch das Cockpit-Fenster konnte er nichts sehen außer den weißen Nebel. Die mangelnde Sicht kombiniert mit dem überwältigenden Geräusch weckten das Gefühl, als hätte das gesamte Universum aufgehört zu existieren. In diesem weiten, leeren Nichts gab es nur ihn und sein Flugzeug.
Er konnte sich jedoch nicht ewig in den Wolken verstecken, genauso wenig wie sein Gegner. Als Charlie aus einer besonders großen Wolke auftauchte und sich der Dunst um ihn herum auftat, sichtete er endlich, wonach er suchte - das deutsche Flugzeug, ein deutlicher schwarzer Punkt am Horizont, der sich entfernte und noch immer einen dünnen schwarzen Rauchstreifen hinter sich herzog.
„Na also“, murmelte Charlie zu sich selbst, als er seinen Schuss vorsichtig ausrichtete. Der Deutsche hatte ihn noch nicht gesichtet, und obwohl der Überraschungsmoment ein Vorteil war, den er nicht verlieren wollte, wollte er auch nichts zu sehr überstürzen und einen Fehlschuss riskieren. Dies würde alles wieder auf null setzen.
Charlie konzentrierte sich vollkommen und verwarf jegliche Ablenkung. Es gab nur ihn und das Ziel. Nichts anderes war mehr von Bedeutung. Nichts anderes existierte. Es vergingen einige Sekunden, während Charlie auf den perfekten Moment wartete ... dann drückte er den Abzug.
Die Maschinenkanone ratterte, als sie einen Schwarm Kugeln ausstieß, die durch die Luft flogen und nacheinander in das Ziel einschlugen. Fetzen der Flugzeughaut flogen davon, als es immer wieder getroffen wurde. Die Kugeln betteten sich in der Tragfläche, im Heck und im Flugzeugrumpf ein und rissen bei ihrem Aufschlag Löcher in das Flugzeug. Andere Kugeln trafen den Propeller und das Triebwerk. Der schwarze Rauchstreifen wurde dicker und die Kraftstofftanks spukten Feuer.
Charlie sah, wie das gegnerische Flugzeug außer Kontrolle geriet und schoss noch zwei weitere Male. Er hörte nichts außer den Lärm seiner eigenen Triebwerke, doch seine Vorstellungskraft erledigte den Rest: Das Bersten der Flugzeugkonstruktion, das Stottern des Triebwerks, das Dröhnen des Propellers, der sich wahllos drehte. Das Knistern der Flammen, das Zischen von Luft durch die Löcher im Rumpf. Charlie erschauderte, als er sah, wie sich das gegnerische Flugzeuge nach vorne neigte und begann, auf den Boden zuzutaumeln. Ein schwarzer Fleck löste sich vom Hauptrumpf des Flugzeugs - der Pilot hatte sich herausgeschleudert. Das Bild, das Charlie vom Gesicht des Piloten gesehen hatte, kam ihm wieder ins Gedächtnis, und er lächelte. Er war erleichtert, dass der Mann wahrscheinlich überleben würde, obwohl es stark davon abhing, wo er landete und wer ihn fand, ob er nach Deutschland zurückkehren konnte oder sich seiner Gefangennahme stellen musste.
Der Himmel wirkte erneut still und ruhig. Die einzige Bewegung stammte von einem Vogelschwarm, der sich aus einem Baumwipfel löste und nach Süden flog. Da die Kriegsgeschäfte für den Moment abgeschlossen waren, kehrte Charlie um und beschleunigte durch den Himmel zurück zum Stützpunkt. Er hatte noch immer nichts von Frank über Funk gehört und wollte ohne Absicherung keinen Kampf mit zwei weiteren möglichen feindlichen Jägern riskieren. Selbstverständlich nagte der intensive Flug an seinem Triebwerk, wodurch der Kraftstoffvorrat zu Neige ging. Die Mustang reagierte umgehend auf die Steuerung und mit einem Brüllen drehte das Flugzeug nach Hause ab.
Eine Stunde später war der Stützpunkt in Sichtweite. Der Nachmittag war schon fast vorbei und der Sonnenuntergang nicht weit entfernt. Dementsprechend war der Boden übersät mit dunklen Schatten, vermischt mit Rot und Orange. Die Landebahn war mit elektrischen Leuchten beleuchtet und als sich Charlie näherte, lief die Kommunikation mit dem Tower wie gewöhnlich.
„Probleme gehabt?“ fragte der Flugkoordinator über Funk, als er den Schaden an Charlies Mustang bemerkte.
„Geringfügig“, antwortete Charlie. „Ich-“ Er schnappte plötzlich nach Luft. In all der Aufregung des Kampfes und der Sorge um Frank hatte er es beinahe vergessen! Wissend, dass jeder am Boden ihn beobachtete, öffnete er die Drossel und mit einem Brüllen der Triebwerke flog er eine Siegesrolle - seine allererste. „Diese hier ist für dich, Frank“, sagte er zu sich selbst, in der Hoffnung, dass sein Flügelmann noch immer angehinkt kommen würde.
Nach der Landung wurde Charlie als Held begrüßt. Aufgeregt berichtete er von seinen Taten und den anderen Piloten und bereitete sich auf ein offizielles Briefing vor. Er wurde von dem Geräusch eines anderen rückkehrenden Flugzeugs abgelenkt und eilte nach draußen, um nachzuschauen. Über sein Gesicht zog sich sofort ein breites Grinsen. Franks Mustang hinkte in Sichtweite, spuckte Rauch, war jedoch ansonsten intakt. Der Grund für die Funkstille stellte sich schnell heraus - seine Antenne war abgeschossen worden.
Während Charlie zusah, schwang Frank sein Flugzeug und drehte sich zweimal - zwei Siegesrollen für zwei besiegte Feinde.
„Achten Sie lieber auf Ihre Frau“, warnte Charlie Colonel Armstrong, der neben ihm stand. „Wir werden das Ende niemals erfahren.“
Als Frank gelandet war, kehrten alle in das Gebäude zurück. Die Aufregung verschwand für einen Augenblick, doch in den Wirren dieses Weltkrieges war morgen ein ganz neuer Tag.
Von Alex Helm (Lady_Inquisitor), April 2013.