Am Sonntag ging ich auf den Bogyoke-Markt um mir die Zeit des Wartens auf Nachricht aus Naypyidaw zu vertreiben. Das ist ein riesiger Bazar aus der Kolonialzeit, angefüllt mit Antiquitäten, Schmuckstücken, Stoffballen, Schnitzereien aus Jade und burmesischen Handwerkerzeugnissen aller Art – und voller inoffizieller Geldwechsler, die vorbeigehende Ausländer mit den Worten „Change Money?“ bedrängen. Ein Wort zum Geld
Myanmar war jahrzehntelang von der Weltgemeinschaft isoliert. Und seit 2007 lebt das Land unter Wirtschaftssanktionen, die Großbritannien, die USA und die EU als Antwort auf die Unterdrückung der Demokratiebewegung durch die Militärregierung verhängt haben. Ein Effekt dieser politischen Isolation (die sich gerade zusammen mit den Sanktionen ein wenig lockert) ist, dass das Finanzwesen nicht mit dem der restlichen Welt integriert ist. Es gibt keine Bankautomaten. Niemand akzeptiert Kreditkarten. Niemand akzeptiert Reiseschecks. Man muss große Mengen Bargeld mit sich herumschleppen, um seine Rechnungen zu begleichen, zum Beispiel die des Hotels. Dazu kommt, dass die Hotels ihre Preise in den letzten Monaten verdreifacht haben, seit verstärkt westliche Geschäftsleute ins Land kommen.
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In den USA ist eine Ein-Dollar-Note einen Dollar wert, egal in welchem Zustand sie ist – vorausgesetzt, sie ist nicht in zwei Hälften zerrissen, und selbst dann gilt sie - wenn man sie sorgfältig mit Klebeband bearbeitet - noch als gültiges gesetzliches Zahlungsmittel für alle privaten und geschäftlichen Zwecke. In Myanmar dagegen hängt der Wert einer Fremdwährung vom Zustand der Banknoten und der Menge ab, die man wechseln möchte. Im Allgemeinen ist der angebotene Wechselkurs je besser, je größer der Nennwert der Banknote und je besser ihr Zustand ist. Um den offiziellen Wechselkurs von 850 Kyat für einen Dollar zu erhalten muss man mindestens eine oder mehr Hundert-Dollar-Noten in druckfrischem Zustand umtauschen. Keine Knitterfalten. Keine Flecken. Keine Knicke. Keine Eselsohren. Keine Tintenflecken. Fabrikneue, makellose, perfekte Noten, frisch aus der Druckerpresse. Der beste Kurs, den ich außerhalb des Flughafens erzielen konnte war 830 Kyat für den Dollar.
Die Eigenart, den Wert des Geldes von seinem Zustand abhängig zu machen, erinnert an die Geschäftspraxis der Geldwechsler im mittelalterlichen Europa.
Um die Menge des zirkulierenden Geldes zu erhöhen, verringerten europäische Monarchen oft den Edelmetallanteil in den Münzen, behielten aber ihren Nennwert bei.
Zudem schnitten Münzbetrüger Metall von den Rändern der Münzen ab, um das wertvolle Edelmetall einzubehalten, und gaben die geschrumpften Münzen wieder in Umlauf – wieder zum Nennwert. Die Geldwechsler des Mittelalters lernten daher recht schnell, den Nennwert einer Münze zu ignorieren und sie stattdessen zu wiegen, ihre Ränder zu betrachten und sie auf dieser Grundlage in die lokale Währung zu wechseln. Auch Burma hat diesen Punkt erreicht.
Auf dem Bogyoke-Markt traf ich einen alten Burmesen mit einem zotteligen weißen Bart, der Geld in einem vollgestopften Portemonnaie trug. Er bot mir 830 Kyat für einen Dollar, wenn ich ihm $100 tauschte. Ich willigte ein. Im Tausch für die fast perfekte 100-Dollar-Note zählte er einen Stapel zerrupfter 1.000 Kyat-Scheine vor. Sie waren so zerknittert, dass sie sich so weich wie Taschentücher anfühlten. In gespieltem Ernst beschwerte ich mich über den traurigen Zustand der burmesischen Banknoten, dafür müsse ich einen besseren Wechselkurs erhalten. Er ging auf den Scherz ein und lachte herzlich: „Diese Scheine sind kein Problem!“
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