„Dies ist Burma“, schrieb Kipling, „und es ähnelt keinem anderen Land, das du kennst“. Kipling hatte Recht. Meine zahllosen Reisen nach China, Hongkong, Taiwan, Singapur, Japan und Südkorea konnten mich nicht einmal ansatzweise auf Myanmar vorbereiten. Das sollte ich noch lernen. Als wir uns nach Myanmar aufmachten, dachte ich in meiner Naivität, dass wir binnen einer Woche nach Naypyidaw (die Hauptstadt) reisen, uns mit den Ministern treffen, und den Vertrag abschließen würden – denn schließlich war ja alles Monate zuvor ausgehandelt worden. Voller Selbstbewusstsein traf ich die Voraussage, dass wir noch vor dem ersten Monsunregen mit den Ausgrabungen beginnen könnten. So lief es allerdings nicht. Stattdessen sollten wir die nächsten fünf Wochen in Myanmar verbringen, ohne genau zu wissen, ob wir dabei in Kafkas Der Prozess oder in Conrads Herz der Finsternis gefangen waren. In Myanmar gehen Geschäfte nicht besonders schnell voran. Und manchmal gibt es überhaupt keinen Fortschritt.
Am 2. Juni, dem Tag nach unserer Ankunft in Yangon, erfuhren wir von unseren burmesischen Geschäftspartnern – einem Bergbau- und Bauunternehmen namens Shwe Taung Por – dass die Minister vom Verhältnis der britischen Regierung zum Spitfire-Projekt im Unklaren waren. Die Verwirrung war aufgrund des Myanmar-Besuchs von Premierminister David Cameron im April entstanden, als sich dieser mit Präsident Thein Sein getroffen, und umfassend die Bergung der Spitfires und ihre Rückführung nach Großbritannien im Rahmen eines gemeinsamen historischen Kulturerbe-Projekts, besprochen hatte. Der Premierminister hatte über Steve Boultbee Brooks vom Projekt erfahren, der nach Yangon geflogen war, um sich einige Tage nach dem Treffen mit David mit Mr. Cameron zu treffen. Brooks, ein wohlhabender Bauunternehmer und Eigentümer der Boultbeet Flight Academy, konnte mithilfe der britischen Botschaft ein Treffen mit dem Premierminister vereinbaren. Zu dieser Zeit war der Premierminister zuhause aufgrund seiner asiatischen Handelsmission, sowie wegen des SMS-Skandals mit Rebekka Brooks, in die Kritik geraten. Das Spitfire-Projekt bot eine Gelegenheit, seinen Asienbesuch positiv zu beenden: Ein gemeinsames historisches Kulturerbe-Projekt, um das Vereinigte Königreich und Myanmar einander näher zu bringen (er drängte ebenfalls darauf, Sanktionen aufzuheben) und ein wenig positive Berichterstattung für seine Regierung zu bewirken.
Die Geschichte über das Spitfire-Projekt fand am 14. April im Telegraph seinen Weg in die Presse, unter der Überschrift „In Burma während des Krieges begrabene Spitfires sollen in das Vereinigte Königreich zurückgeführt werden“ („Spitfires buried in Burma during the War to be returned to the UK“). David war von diesem Artikel überrascht, da er kurz vor dem Abschluss einer Vereinbarung mit der Regierung Myanmars stand, und keine Presse wollte. Der Zeitungsartikel beschrieb Davids sechzehnjährige Suche nach den Flugzeugen. Am Ende des Artikels hieß es, dass Mr. Brooks die Bergungsbemühungen finanziere – was augenscheinlich nicht vereinbart war. Kurze Zeit nach Veröffentlichung des Artikels, zerstritten sich die beiden Männer, wobei David behauptete, dass Brooks seine Verbindung zum Premierminister genutzt hätte, um das ganze Projekt zu übernehmen und David auszuschließen. Der Stress machte David schwer krank. Zwei Wochen später bekam die Presse Wind von dem Streit, und am 28. April erschien ein zweiter Artikel in der Independent, unter der Überschrift „Camerons Anspruch auf den Spitfire-Fund entfacht britischen Kampf in Burma“ („Cameron’s Claim on Spitfire trove ignites British Battle in Burma“). Eine Sprecherin des Premierministers sagte dazu: „Wir hoffen, dass dies eine Chance darstellt, mit der reformierenden burmesischen Regierung zusammenzuarbeiten, um diese Kampfflugzeuge zu bergen, zu restaurieren und auszustellen, damit sie einmal mehr den Himmel über Großbritannien zieren können.“ David, wütend auf Brooks und den Premierminister, antwortete darauf relativ unverblümt: „Der Präsident Burmas möchte mit mir Geschäfte machen. Er vertraut Cameron nicht.“ Und in einem Interview, das er einige Tage später der Vancouver Sun gab, fügte er hinzu: „Ich kann es ohne Brooks schaffen, ich kann es ohne irgendjemand anders schaffen. Ich grabe schon seit 35 Jahren Flugzeuge aus. Ich brauche die nicht.“ Der Premierminister war nicht erfreut. Brooks kündigte an, seine eigene Bergungsmission ohne David zu starten – und bis vor Beginn des Monsunregens zu den Spitfires zu gelangen. Es sollte der Kampf David gegen Goliath werden.
Zum Abschluss unseres Vertrags, forderte die Regierung Myanmars einen Brief der britischen Botschaft, in dem Davids Vorschlag zur Ausgrabung der Spitfires offiziell gutgeheißen werden sollte. Angesichts der kürzlichen Schlammschlacht in der Presse sollte sich das als ziemlich heikle Angelegenheit erweisen. David hatte den Premierminister in Verlegenheit gebracht. Seinerseits gab es also keinerlei Bestreben, zu helfen. Wir hatten viel Arbeit vor uns. Zunächst setzten wir ein Schreiben für das Büro des Präsidenten auf, in dem wir Davids Partnerschaft mit Shwe Taung Por und seine lange Suche nach den Spitfires zusammenfassten. Wir baten um die Erlaubnis, am 20. Juni in Myitkyina – weit im Norden, wo es noch immer trocken sein würde – mit den Ausgrabungen beginnen zu dürfen. Wir gaben an, dass die Ausgrabungen um 09:00 Uhr morgens beginnen würden, da uns diese Uhrzeit in sowohl astrologischer als auch zahlensymbolischer Hinsicht als besonders glücksverheißend beschrieben worden war (warum genau, erfuhr ich nie). Wir ließen das Schreiben drucken, übersetzen und beglaubigen, und versandten es am Montag, dem 4. Juni per Kurier. Als nächstes riefen wir den zweiten Sekretär Fergus Eckersley in der britischen Botschaft in Myanmar an. Wir erklärten, dass wir uns in Yangon aufhielten, und einen Brief von der britischen Regierung benötigten, der das Projekt gutheißen sollte. Eckersley informierte uns darüber, dass der britische Botschafter (Andrew Heyn) sehr beschäftigt sei. Darüber hinaus hatte keiner der anderen Antragssteller ein solches Schreiben angefordert, er müsse es also mit dem Botschafter besprechen. Das sah nicht vielversprechend aus. Am gleichen Abend riefen wir eine Freundin von David im Vereinigten Königreich an, die früher im Auswärtigen Amt gearbeitet hatte. Sie führte einige diskrete Telefongespräche für uns, um Informationen über unsere Konkurrenten zu sammeln, und um das Büro des Premierministers davon zu überzeugen, die britische Botschaft in Yangon zum Verfassen des Unterstützungsschreibens zu autorisieren.
Uns lief die Zeit davon. Der Vorsprung unserer Konkurrenten wurde immer größer. Wir hörten ein Gerücht, dass sich ein Vertreter Brooks’ in Yangon aufhielt, und die Monsune standen kurz bevor. Wir entschlossen uns, am 5. Juni vor den Türen des eindrucksvollen steinernen Bauwerks der britischen Botschaft in Yangon auszuharren. Leider waren Fergus und der Botschafter außer Haus. Die Wache informierte uns freundlicherweise darüber, dass sie sich möglicherweise im Strand-Hotel oder im British Club aufhalten könnten. Wir besuchten das Strand-Hotel nebenan – ein wunderbares Kolonialgebäude mit weißen, mit Teakholz besetzten Wänden und polierten Marmorböden, kleinen Korbmöbelinseln und Deckenventilatoren aus Holz, die sich träge über unseren Köpfen drehten. Ebenfalls gibt es ein schrulliges Fundbüro mit einer verstaubten Taschenuhr und einem Damenfächer, die eindeutig auf die Kolonialzeit zurückgehen. Doch den Botschafter und Fergus fanden wir dort nicht. Am Nachmittag riefen wir Fergus erneut an, erklärten unsere missliche Lage und fragten, ob wir uns mit ihm treffen könnten. Fergus stimmte zu und lud uns freundlicherweise zum Diamantjubiläum der Queen ein, das an diesem Abend im British Club abgehalten werden sollte. Wir bereiteten uns auf unseren Besuch vor.
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Der British Club ist ein Klub nur für Mitglieder, der von Diplomaten und britischen Auslandsentsandten besucht wird. Er wird von einer weißen Steinmauer umgeben und besitzt ein massives Holztor mit einem Wachhaus. Ein Union Jack mit einem Abbild der Queen, umgeben von den Worten „Anlässlich des Diamantjubiläums der Queen“ begrüßte uns und versicherte uns, dass wir an den richtigen Ort gekommen waren. Wir trafen Fergus und den Botschafter hinter dem Gebäude an, wo sie in Gespräche mit Gästen vertieft waren. Sie hießen uns willkommen, und bei ein paar Bier unterhielten wir uns über das Projekt. Fergus stellte sich als extrem sympathischer und charmanter Zeitgenosse heraus. Er ist gerade frisch von Oxford gekommen. Dies ist seine erste Stelle im diplomatischen Dienst. Wir haben ihn ganz klar in eine schwierige Position gebracht, da er dazu verpflichtet ist, alle Parteien gleich zu behandeln – trotz Davids Erstanspruch und trotz der Tatsache, dass Mr. Brooks weder vor seinem Besuch im April in Myanmar gewesen war, noch die Recherchen zum Auffinden des Flugzeuge durchgeführt hatte.
Fergus sagte uns erneut, dass die Botschaft keine bestimmte Partei gutheißen, und sich auch nicht an kommerziellen Projekten beteiligen könne. Ich fragte, ob die Botschaft gewillt sei, die Idee der Bergung und Rückführung der Spitfires gutzuheißen, ohne dabei speziell Davids Antrag den Vorzug zu geben. Er antwortete, dass dies akzeptabel sei, sofern wir der Botschaft gestatten würden, ein solches Schreiben auch den anderen Antragsstellern zur Verfügung zu stellen. Diesen Vorschlag nahmen wir an, und am Donnerstagmorgen, dem 7. Juni nahmen wir in der Botschaft einen großen Umschlag mit dem Stempel „Im Auftrag Ihrer Majestät“ vom Botschafter entgegen. In der Lobby des Strand-Hotels öffneten wir den Umschlag, und lasen uns das Schreiben durch. Dort hieß es (auszugsweise): „Die Botschaft wäre sehr erfreut, eine Zusammenarbeit zwischen der britischen Regierung und der Regierung Myanmars bei einem solchen gemeinsamen historischen Kulturerbe-Projekt zu sehen“, doch „die Entscheidung über die weitere Vorgehensweise liegt vollkommen in den Händen der Regierung von Myanmar.“ Es war ein eher zurückhaltendes Unterstützungsschreiben, doch zumindest besaßen wir nun eines. Wir hofften, dass es ausreichen würde.
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