Die „Luftfahrt-Archäologie“ wurde viele Jahre lang - zumindest in Großbritannien - als eine Suche nach Artefakten von gewöhnlich kultträchtigen Flugzeugen angesehen, eher von Enthusiasten statt von professionellen Archäologen ausgeführt. Diese - man muss es leider sagen - beachteten dieses Thema nicht oder ignorierten es. Stattdessen weigerten sich viele Archäologen, es überhaupt als „Archäologie“ zu bezeichnen, da ihre Anhänger keine archäologischen Methoden anwandten, keine Aufzeichnungen des Ausgrabungsprozesses führten, keine Berichte veröffentlichten und teilweise sogar die sterblichen Überreste von Flugzeugbesatzungen falsch behandelten, die bei Ausgrabungen von Flugzeugen gefunden wurden. Das Ausmaß dieser Aktivitäten führte 1986 in Großbritannien zur Verabschiedung des Protection of Military Remains Act. Dieser sieht vor, dass jeder, der im Vereinigten Königreich ein militärisches Flugzeug egal welcher Nation ausgraben möchte, eine Lizenz des Verteidigungsministeriums besitzen muss.
Unter Archäologen gewinnt jedoch inzwischen die Auffassung an Zustimmung, dass die Luftfahrt-Archäologie differenzierter betrachtet werden muss. Diese sieht ein einzelnes Flugzeug sowohl als archäologische Stätte aus eigenem Recht, an der möglicherweise empfindliche Belege wie Graffiti und Markierungen von Bodenbesatzungen, und Nachweise für Gefechtsschäden und Reparaturen zu finden sind, als auch als Ausdruck der Kultur, die es schuf und nutzte. In diesem Kontext kann ein Flugzeug als Fokus eines komplexen Netzes aus ökonomischer Investition, Unterstützung, Nachschub und Funktion gesehen werden, das nun durch das menschliche und kulturelle Gedächtnis gefiltert wird.
Wie Jonathan Glancey z. B. so gut in seinem Buch „Spitfire“ beschrieb, ist die Spitfire neben einem hervorragend konzipierten Kampfflugzeug auch eine Ikone des Art-Déco-Industriedesigns und für die Briten ein Symbol nationalen Stolzes und nationaler Identität.
Die Begründung für diese neue Sichtweise wird am besten in diesem Auszug aus den „Guidelines for Evaluating and Documenting Historic Aviation Properties“ von 1996 beschrieben, die vom U.S.-Innenministerium, von National Parks Services und dem National Register of Historic Places veröffentlicht wurden [Anne Milbrooke et al 1998].
Die Luftfahrt ist dennoch mehr als nur Flugzeuge. Es ist eine Technologie, die weit gefasst Flugzeuge und Flugzeugwracks, Produktions- und Prüfeinrichtungen, Flugterminals und andere Komponenten umfasst, die die zivile, militärische und kommerzielle Luftfahrt unterstützen. Das Flugzeug wurde nach und nach zum Instrument für Transport und Revolutionierungen des Militärs. Die Luftfahrt durchdringt das Leben des 20. Jahrhunderts. Der Stellenwert der Luftfahrt spiegelt sich in vielen Aspekten der amerikanischen Geschichte, Architektur, Archäologie, Technik und Kultur wider. Laut dem National Register spielte die Luftfahrt eine wichtige Rolle in der Geschichte der Landwirtschaft, Architektur, Archäologie, Kunst, des Handels, der Kommunikation, Bildung, Technik, Unterhaltung/Erholung, Industrie, Erfindung, Landschaftsarchitektur, des Militärs, der Wissenschaft, der Sozialgeschichte und des Transportwesens. Milbrooke 1998 S. 7
Ich habe dieses Konzept bereits vorher an einer Ausgrabungsstätte von Spitfires angewandt. Im Sommer 2011 leitete ich die Ausgrabung der Absturzstelle einer Spitfire X4273, die während der Luftschlacht um England über London abgeschossen wurde, wobei der Pilot, Pilot Officer Robin MacGregor Waterston, getötet wurde. Die Ausgrabung erfolgte wie alle Ausgrabungen militärischer Flugzeuge im Vereinigten Königreich mit Genehmigung des britischen Verteidigungsministeriums und zeigte, dass die Absturzstelle bereits 1940 geräumt wurde. Daher fanden wir keine Artefakte in Bezug auf das Flugzeug. Dies war zwar für das Luftfahrtmuseum, welches die Ausgrabung finanziert hatte, eine Enttäuschung, aus in forensischer Sicht war die Ausgrabung jedoch ein Erfolg.
Da wir die Ausgrabungsstätte archäologisch untersucht hatten, statt einfach nur auf die Suche nach Artefakten zu gehen, waren wir in der Lage, die Umstände des Absturzes auf die gleiche Weise zu untersuchen, wie ein Flugzeugabsturz heutzutage von der Air Accident Investigation Branch oder der NTSB untersucht würde. Diese forensische Untersuchung der Absturzstelle zeigte, dass sich der Absturz von PO Waterstons Flugzeug anders abgespielt haben musste, als wir vorher geglaubt hatten. Es war beispielsweise nicht tief in den Boden eingedrungen. Durch diese neuen Informationen erhielten die heutigen Berichte und aufgezeichneten Erinnerungen von Augenzeugen des Unglücks, die über viele Jahre hinweg von den an diesem Projekt beteiligten Forschern geschaffen wurden, einen Sinn.
Dieses Projekt zur Untersuchung der Legende vergrabener Spitfires auf dem Flugfeld von Mingaladon ist eine Gelegenheit, dieses kultige Flugzeug, die Spitfire, als jene Linse zu nutzen, die es uns ermöglicht, einen Mikrokosmos dieses vergessenen Krieges in Burma zu sehen. Es wird uns dabei helfen, die physischen und die historischen Spuren der Menschen aufzudecken, deren Leben von diesem Krieg betroffen war. Dazu zählen natürlich Angehörige der Royal Air Force, der japanischen Luftwaffe und der American Volunteer Group - den berühmten Flying Tigers. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass hierzu auch die Menschen von Rangun und Mingaladon und die Flüchtlinge gehören, die den Dokumenten nach im chaotischen Frühjahr 1942 ihre Lagerfeuer entlang der Pegu Road am Flugfeld von Mingaladon entzündeten, als die Armee und Luftwaffe des eines Reichs, des britischen Königreichs, abzogen, und die des anderen Reichs, nämlich des japanischen Kaiserreichs, einmarschierten. Wir wissen, dass es ihnen 1945 selbst an einfachsten Gegenständen, wie Töpfe und Pfannen zur Zubereitung ihrer Mahlzeiten fehlte.
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