Aus der Luft sieht Yangon ganz anders aus als Bangkok, Hongkong, Kuala Lumpur, Singapur oder andere asiatische Metropolen. Die Stadt beheimatet fast vier Millionen Menschen, doch sie wird weder von glitzernden Wolkenkratzern aus Glas und Stahl noch von mächtigen Hängebrücken über den Flüssen Yangon oder Bago geschmückt, wie etwa in Shanghai mit der Nan-Pu-Brücke. Von einigen wenigen in den 1990er Jahren errichteten Hochhäusern und Hotels einmal abgesehen, hat Yangon viel von seinem kolonialen Charme bewahrt. Hunderte verfallende, aber dennoch wunderschöne viktorianische und edwardianische Gebäude säumen den „Strand“ und die vielen geschäftigen Straßen.
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Im späten neunzehnten Jahrhundert war Yangon – damals noch Rangoon – als „Gartenstadt des Ostens“ bekannt. Die Briten besetzten die Stadt nach dem zweiten burmesischen Krieg im Jahre 1852, woraufhin es 1886 zur Hauptstadt des britisch-besetzten Burmas wurde. Unter der britischen Verwaltung, verwandelte sich die Stadt von einem verschlafenen Küstenstädtchen zu einem wichtigen geschäftlichen und politischen Zentrum, mit breiten Alleen und weitläufigen Gärten, wie etwa den Cantonment-Gärten. Das Krankenhaus, das Sekretariatsgebäude, das Strand-Hotel, die Universität von Yangon, das Postamt und der Telegrafendienst, der Hauptbahnhof von Yangon sowie die wundervolle anglikanische Dreifaltigkeitskirche, stammen alle aus dieser Ära. Mit der Eröffnung des Suez-Kanals, stieg die Nachfrage an burmesischem Reis, Kautschuk, Teak und anderen Exporten drastisch an – und bereicherte so viele britische Firmen, die den Handel monopolisiert hatten und damit Missgunst und nationalistische Gefühle in der burmesischen Bevölkerung schürten.
Dies waren friedvolle Tage für das britische Weltreich, dessen „zivilisierende“ Gesinnung vom Poeten des Imperialismus, Rudyard Kipling, zu Papier gebracht wurde. Doch ungeachtet der Vorteile des Pax Britannica, waren die Burmesen erzürnt von der Selbstherrlichkeit und Diskriminierung der Briten, sowie von ihrer Missachtung einheimischer Bräuche. (Die Briten weigerten sich, in buddhistischen Tempeln ihre Schuhe auszuziehen!) Daher drängten die Burmesen zusehends auf Selbstverwaltung. Die dunklere Seite der Kolonialherrschaft wird von George Orwell satirisch in seinem Werk Tage in Burma (meine Fluglektüre) behandelt. Darin definiert der Hauptcharakter John Flory den Kolonialismus als „die Lüge, dass wir hier sind, um unseren armen schwarzen Brüdern aus dem Elend zu helfen, und nicht, um sie auszubeuten“. Als die Japaner also versprachen, die Kolonialmächte zu vertreiben, und eine „gemeinsame großasiatische Wohlstandssphäre” zu schaffen, horchten viele Burmesen auf. Doch nach der Invasion im Jahre 1942, wurde schnell klar, dass die Japaner keinerlei Absicht hatten, Burma in die Unabhängigkeit zu entlassen. Daher bildeten die Nationalisten unter Aung San eine Koalition mit den Briten, um die Japaner zu vertreiben. Bei den Kämpfen wurde Yangon schwer beschädigt.
Heute befinden sich die Kolonialgebäude in unterschiedlichen Stadien des Verfalls, dank einer Kombination aus Monsunregen, glühender Hitze und Kletterpflanzen, wodurch das Mauerwerk beschädigt, und die einst stolzen Fassaden zerfressen werden. Die meisten Straßen sind nachts unbeleuchtet. Bürgersteige sind uneben und gefährlich – insbesondere nach Einbruch der Dunkelheit. Wenn man nicht aufpasst, kann man leicht in ein metertiefes Abwasserloch fallen. Jahrzehnte der Verwahrlosung und fehlender Investition, haben die Stadt in das Havanna Asiens verwandelt, dessen alte Autos und überfüllte Busse die Straßen hochrumpeln, und das von zerfallender Infrastruktur und sporadischen Stromausfällen geplagt wird. Der Regierung muss man zugute halten, dass sie Schritte unternimmt, um die älteren Gebäude zu erhalten, statt sie dem Erdboden gleichzumachen und mit Hochhäusern und Einkaufszentren zu ersetzen – wie es in vielen anderen Ländern in der Region geschehen ist. Yangon könnte eines Tages wieder aufblühen.
Es ist eine Stadt voller Schönheit, von den frommen Mönchen in ihren roten Safrangewändern, bis zu den bunten Farben der Theingiyi-Märkte. An vielen Tagen wanderte ich morgens durch den Markt, während ich darauf wartete, etwas Neues zu den Treffen mit den verschiedenen Ministerien zu erfahren. Hier sitzen die Marktverkäuferinnen mit ihren bunten Röcken vor geflochtenen Körben und Matten, die bis obenhin vollgestapelt sind mit stark riechenden Durians, süßen und saftigen Jackfrüchten, Papayas, Bananen, Mangos und den exotischen und fremdartig aussehenden Mamon Japones, unter deren Stacheln sich weißes Fruchtfleisch verbirgt. Andernorts auf der Straße bieten Fischhändler Garnelen, Tintenfische, Rohu, Tilipia und viele andere exotische Tierarten an, die ich nicht einmal ansatzweise identifizieren konnte. Andere Straßen wiederum sind gefüllt mit Ständen voller asiatischer Auberginen, Chilis, Bohnen, Bambussprossen, Kürbisse und Jengko. Die Morgenluft duftet nach dem süßlichen Geruch überreifer Früchte, nach Kurkuma und dem Speiseöl der Straßenstände. Frauen tragen Körbe auf ihren Köpfen, Männer sind auf mit Säcken beladenen Fahrrädern unterwegs und Mönche spazieren gelassen durch die Mengen, mit ihren Reisschalen um Almosen bittend. In der Nähe, gegenüber der „Strand“-Straße, befördern Dutzende bunt bemalter Boote – die wie italienische Gondeln mit stotternden Dieselmotoren anmuten – Passagiere über den Yangon-Fluss.
Auf einer grünen Anhöhe, Singaturra-Hügel genannt, ragt die majestätische und eindrucksvolle Shwedagon-Pagode über die Stadt empor: Ein 2.600 Jahre alter buddhistischer Stupa. Er ist das spirituelle Zentrum der Stadt und das Herz der Nation. Die Burmesen sind mit überwältigender Mehrheit buddhistisch, aber folgen auch astrologischen Glauben, die ihren Ursprung im Hindu-Brahmanismus haben. Meine heutige burmesische Stadtführerin – eine charmante ältere Dame in einem roten Longyi – fragte mich nach meinem Geburtsdatum. Sie zog ihr Buch zurate, erklärte mir, dass ich an einem Dienstag geboren wurde, und führte mich zur „planetarischen Station“ für den Dienstag, wo ich entdeckte, dass mein Schutzgeist ein Löwe ist (cool!). Ich tauchte einen silbernen Becher in das Marmorbecken und goss (fünf Mal) Wasser auf den Kopf Buddhas. Ich bat ihn still darum, unserem Vorhaben seinen Segen zu schenken. Der Marmorhof auf der Spitze des Hügels wird von vielen bunt dekorierten Stupas umgeben, aber der zentrale Stupa ist mit einer Höhe von fast 100 m die Hauptattraktion. Im Inneren des Stupas befinden sich Relikte des Buddhas, einschließlich acht seiner Haarsträhnen. Die gesamte, riesige Anlage ist mit Tonnen von Gold bedeckt – zwischen 10 und 50 Tonnen, je nachdem, wen man fragt. Auf dem Stupa befindet sich der hti oder auch Schirm, der mit Gold bedeckt und mit Diamanten besetzt ist. Ganz auf der Spitze des Turms befindet sich ein einzelner, 76‑karätiger Diamant.
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